INNENHÖFE NEUKÖLLN

Das Dröhnen einer Propellermaschine, die Koloraturen eines Kinderschreis, das weiße rauschen eines Kastanienbaums und die Worte einer Bewohnerin, die sie mir aus einem Fenster zuwirft: „Wenn die da Musik machen, dann hören wir alle, das ist Wahnsinn.“ All diese geräusche wurden in einem Neuköllner Innenhof aufgenommen. Diese Worte sind Ausgangspunkt einer Überlegungen zur Identität des Wohnortes, der dieser Innenhof ist.
„Wir alle, damit meint die Bewohnerin all jene, die sich diesen Innenhof und damit auch seine Klänge, die ihm innewohnen, teilen. Eigentlich besteht dieser Innenhof aus zwei u-förmigen Höfen zweier separater Häuser, die mit der jeweils offenen Seite aneinander stoßen. Zusammen ergeben sie einen gemeinsamen Klangraum. Die Bewohner beider Häuser wohnen dadurch in Hörweite. Sein in Hörweite ist das, was Peter Sloterdijk als das Phonotop bezeichnet. Der Ort, an dem eine Gemeinschaft über die Klänge verbunden ist, und sich einander darüber ihre Verbundenheit versichert. auf der Grenzlinie zwischen beiden Häusern verläuft jedoch ein hohes Gitter. Sozial/Funktional sind die Bewohner voneinander getrennt.
Mit „die da“, die Musik machen, waren entsprechend Anwohner der anderen Hofseite gemeint. Es ist vorstellbar, dass der „Wahnsinn“ bei weitem nicht so stark wäre, wenn man einfach rübergehen könnte. Sounddesign, das Bewohnern in ihrer Identität stärken will, könnte auch sein, den Zaun zu beseitigen. Die, die da Musik machen, wären vielleicht dann nicht mehr die anderen, sondern „wir, in unserem Hof.“
Identität hat mirt den eigenen Grenzen zu tun. Sich mit etwas zu identifizieren, heißt, sich mit etwas gleichsetzen zu können. Dies setzt eine Nähe voraus, in diesem Fall eine physisch-räumliche. Klanggestaltung in Architektur und Stadtplanung muss berücksichtigen, dass der visuelle Raum ganz andere grenzen hat, als der akustische.

Die Arbeit war Teil eines Forschungsworkshops bei Detlev Ipsen.ink_fokus

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